Wenn die Finger nicht mehr wollen…
Lösungen ohne Botox & Co
Focale Dystonie ist auch als Musiker- oder Schreibkrampf bekannt. Es ist eine mentale Fehlsteuerung von Muskelgruppen, die dazu führt, dass sich z.B. ein Finger mitten im Gitarrenspiel streckt oder beugt und sich nicht mehr bewegen lässt.
In den Fingerkuppen befinden sich überdurchschnittlich viele Nervenbahnen, die beim intensiven Üben für ein perfektes Beherrschen des Musikinstrumentes viele Signale an die jeweiligen Regionen im Gehirn senden. Durch diese Überbeanspruchung im Gehirn, kommt es zu Fehlschaltungen bzw. zu der beschriebenen Verkrampfung der Finger. Die Fingeransteuerung im Gehirn steuert dadurch nicht mehr die richtigen Muskelgruppen an.
Kopfgeschichte
Golfer mit niedrigem Handicap kennen dieses Phänomen beim „Putten“, das „Yips“ genannt wird. Für Künstler und Sportler eine sehr tragische Erfahrung, die dann diese traumatischen Erlebnisse oftmals durch noch intensiveres Üben versuchen in den Griff zu bekommen. In Wirklichkeit wird dadurch die Situation in vielen Fällen leider nur gefestigt. Dieses Phänomen tritt bei rund 1% aller Musiker (Flöte, Geige, Gitarre, Klavier, Trompete…) auf, bei denen es um intensives Trainieren der Feinmotorik geht, bei Golfern sind z.B. etwa 10% der Niederighandicapper betroffen.
Botox als Lösung?
Ein Ansatz der Medizin ist der Versuch z.B. durch Injektionen von Botox-ähnlichen Substanzen in die Muskelgruppen der Finger das Symptom (mit kurzfristigem Erfolg) zu behandeln. Das geht so lange gut, so lange keine Gewöhnung aufgebaut wird und die betroffene Person gegen Botox nicht resistent wird. Bei dieser Behandlungsmethode ist es wichtig, von erfahrenen Spezialisten behandelt zu werden, damit die richtige der kleinen Muskelgruppen behandelt wird, und nicht womöglich eine ganze Hand für Wochen „stillgelegt“ wird.
Es bleibt jedoch dabei bei einer Behandlung von Symptomen, ohne die Ursache in den Griff zu bekommen. Die Ursache liegt in der Art eines „Programmfehlers“ im Kopf vor.
Folgen der Focalen Dystonie
Manche Musikerinnen und Musiker leben in Angst vor dem nächsten Krampf, das Konzert wird zum Stressfaktor. Manche greifen zur Selbsthilfe, indem sie einfach Abstriche in der Qualität ihres Spiels machen oder geben resignierend ihr Instrument auf – andere auch ihre Karriere oder sie lernen mühsam auf die andere Hand um.
Ein Lösungsansatz
Gemeinsam mit anderen Experten habe ich ein spezielles, medikamentenfreies Re-Training für betroffene Personen entwickelt. Die Übungen können nach einer Einführung selbst durchgeführt werden, die persönliche Trainingsbetreuung vor Ort ist somit meist nur zu Beginn nötig und kann oftmals in weiterer Folge auch via Telefon, Mail, Webcoaching o.ä. durchgeführt werden.
Das Re-Training soll dem Gehirn helfen dabei umzulernen und ein „neues Verschalten“ auszulösen, damit sich die Störungen (= Krämpfe) verringern. Durch das Re-Training werden die Gehirnregionen, die für die Feinmotorik verantwortlich sind, dazu angeregt, sich in einer neuen Art und Weise zu verschalten. Diese Stimulation durch regelmäßiges Re-Training hilft, die Krämpfe immer weniger und weniger werden zu lassen.
Geduld
Offen angesprochen ist ein wenig Geduld und Konsequenz ist dabei mitzubringen. Das Gehirn benötigt Regelmäßigkeit und ein wenig Zeit, um diese „Neuverschaltungen“ wachsen zu lassen. Dafür gibt es keine exakten Zeitprognosen, denn jedes Gehirn reagiert unterschiedlich rasch auf das Re-Training.